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Work Hard xxxxxxxxxx Play Hard

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Work Hard xxxxxxxxxx Play Hard

„Manche Firmen haben mir vorgeworfen, ich würde das lächerlich machen oder das nicht ernst nehmen. Da muss ich sagen ich hätte den Film auch lieber euphorischer gemacht. Weil ich gerade das nicht lächerlich machen wollte und nicht sagen wollte dass das alles Quatsch ist was ihr da macht. Ich will das eigentlich ernst nehmen, als ernsthaften Versuch, Begeisterung zu erzeugen für die Arbeit. „ – Carmen Losmann

 

 

Der Film „Work Hard Play Hard“ handelt von Arbeitswelten der Zukunft. Es geht um eine Entgrenzung von Arbeit, um die Auflösung der getrennten Bereiche Arbeit und Freizeit. Laptop, Mobiltelefone und Internet ermöglichen dass wir ständig im Netz sind, wir sind auch ständig im Arbeitsnetz. Dadurch lösen sich Zeit und Raum zunehmend auf. Mit diesem Thema beschäftigt sich Carmen Losmann, die Regisseurin in ihrem wirklich außergewöhnlichen Dokumentarfilm.
Wieso führt die Abschaffung der Stempeluhren dazu, dass man nicht mehr 40 Stunden arbeitet, sondern 60? Der Film ist ein Versuch, dieser Dynamik auf die Schliche zu kommen. Welche Stellschrauben werden vom Management aus implementiert, damit die Leute von sich aus das tun, was das Unternehmen möchte? Der Film wertet die Methoden  des modernen „Human Ressource Managements“ nicht als Teufelswerkzeug ab. Er handelt mehr von der Frage: was bedeutet es wenn ein Manager sagt: „Bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt“, oder „Wir möchten dass die Menschen vergessen dass sie bei der Arbeit sind“. Er führt uns gekonnt an die Abgründe des neuen ökonomischen Totalitarismus der am Arbeitsplatz herrscht heran. Von der Idee bis zum fertigen Werk hat Carmen 4 Jahre für diesen Film gebraucht. Sie hat die Recherche für das Treatment zum Film auf der KHM in Köln begonnen und es zu ihrem Diplomprojekt gemacht. Es hatte sich während ihrem Studium gezeigt dass dieses Projekt zu groß ist um es als Diplomfilm während ihres Studiums fertigzustellen. Ihr Treatment ermöglichte es ihr eine Finanzierung von der Nachwuchsförderung der Filmstiftung NRW und ARTE zu bekommen. Der Film wurde mit 240 000 Euro gefördert, was nicht viel ist für einen 90-Minüter, aber dennoch beachtlich für ein Erstlingswerk. Produziert wurde der Film von Erik Winker, ebenfalls Absolvent der KHM in Köln.

 

 

Der Film ist geprägt von einer starken Autorenhandschrift, er ist nicht unparteiisch, das kann ein Dokumentarfilm nie sein. Doch der Film schafft es gut die Balance zu finden. So neutral wie nur möglich dokumentiert er die Geschehnisse und überlässt uns Zuschauern die Fragen die er stellt zu beantworten. Als ich den Film gesehen habe war ich etwas verwundert, weshalb so viele im Publikum andauernd gelacht haben. Ich kann nachvollziehen dass es für jemanden der nicht in diesem Arbeitsalltag  steckt diese Bilder wohl als bizarr und surreal empfindet. Ich persönlich finde den Film nicht witzig. Ich  finde es schockierend wenn eine Managerin der deutschen Post nüchtern in die Kamera sagt: „Wir wollen den Change und die Teamfähigkeit in die DNA eines jeden Mitarbeiters implantieren.“

Mir ist durch diesen Film auch etwas klarer geworden was mit uns eigentlich da passiert und welches Ziel die Chefetage eigentlich verfolgt.  Denn was die da oben wollen entspricht nicht unbedingt dem was ich als Mitarbeiter will, das ist nicht neu. Doch ich verstehe jetzt besser warum manchmal so was wie Schmerz oder Frustration hochkommt wenn man aus einem dieser Mitarbeitergespräche herauskommt. Man erweitert durch diesen Film seine Wahrnehmung, man bekommt durch ihn nicht ein Programm zur Hand wie man sich selber schleunigst weiterentwickeln und auf der Karriereleiter aufsteigen kann. Er bietet einem auch nicht einen Blick hinter die Kulissen oder einen Weg des Ausweichens oder des Widerstandes.  Er zeigt nur auf, wo wir uns momentan in der modernen Arbeitswelt befinden und lässt uns erahnen wohin der Weg vielleicht führen könnte.

Hervorragend ist auch die Kamerabarbeit von Dirk Lütter. Alle Einstellungen im Film sind stark kadriert. Dirk sagt selbst dass er eine Handkamera für solch einen Film der sich mit so einem System beschäftigt nicht als die richtige Herangehensweise gesehen hätte. Die spontane Handkamera würde zu stark das einzelne Individuum in den Mittelpunkt rücken, da sie diesem folgt. Dies würde dann ja bedeuten dass das Individuum eine gewisse Macht hätte. Doch Dirk holt mit einem klaren statischen, teilweise pedantischen Bildaufbau die Strukturen dieses Systems in dem sich diese Menschen bewegen müssen, ins Bild. Die Menschen wirken fast wie Statisten die sich durch den Film bewegen. Die Individuen wirken machtlos in diesem System. Seine Kameraarbeit verleiht dem Film eine unheimliche Stärke.  Der Film verzichtet komplett auf Kommentare aus dem off und ist fast ohne Musikuntermalung.  Alle Einstellungen der Protagonisten sind fast ausschließlich auf Augenhöhe, bewusst nicht ober- oder untersichtig, denn dies würde zu einer anderen Aussage führen. Meistens sind die Köpfe auch nicht angeschnitten. Die Köpfe wirken auf diesem Breitbildformat, gedreht wurde auf der Red Cam,  wie eingequetscht im System. Das meiste, so meint Dirk, läuft auch über diese Köpfe. Eine der Ideen dabei war:„Das es fast so wirken sollte als würden die Köpfe wie losgelöst in diesen Räumen schweben.“